Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Der Wein, den Inocencio mir schenkt, ist eine Offenbarung. Noch niemals zuvor habe ich einen so leckeren Rotwein getrunken: trocken, fruchtig und sehr voll im Geschmack.

Der Wein stamme aus dem Barranco Oscuro, sagt Innocencio und zuckt mit den Schultern. Ein kleines Weingut sei es, das seine Freunde dort haben, nur ein paar Hektar. Allerdings das höchst gelegene Weinanbaugebiet Europas. Die Luft sei dort sehr gut. Und der Boden. Trotzdem: Der Preis für die Flasche sei nicht hoch. Die Winzerei, sagt er mir und greift sich ans Herz, sei „una pasión, una religión“, verstehst du?

Ich frage ihn, wo ich den Wein kaufen könne. Inocencio wirft seinen Arm geradeaus: dort drüben, hinter dem Berg. Dahinter sei noch ein Berg und noch einer. Dort einmal rechts runter Richtung Meer, so gelange man in das Tal. Dort könne ich kaufen. Er macht eine schlangenhafte Bewegung mit seinem Hand: „Una hora“, eine Stunde über gewundene Straßen, dann sei man da.

Einige Tage später beschließe ich spontan, dort hinzufahren. Der Weg ist tatsächlich sehr ländlich. Hier ist nichts, hier sind nur Olivenbäume – viele Olivenbäume. Später lese ich, ich finde den Link nicht mehr, dass in dieser Gegend 60 Millionen Olivenbäume stehen: eine der Hauptanbauregionen Spaniens.

Olivenbäume in der Alpujarra

Das Weingut ist leicht zu finden, denn rundherum ist sonst nichts. Dieses Haus muss es also sein, es besteht kein Zweifel. Ich fahre auf den Hof, Kies knirscht unter den Reifen. Grillen zirpen. Paletten mit Weinflaschen stehen neben Gärtanks. Ein Hund bellt und kommt auch schon angerannt. Groß und schwarz ist er und wedelt mit dem Schwanz. Sein kleiner, weißer Kompanion rennt hinterdrein, will gestreichelt werden. Als Wachhunde sind sie ein Totalausfall.

Ich mache mich auf den Weg übers Gehöft und suche Menschen, den Eingang, eine Klingel. Doch: nichts. Ich beschließe, ein wenig zu warten. In der Sonne ist es warm und angenehm. In der Ferne höre ich einen Trecker. Die beiden Wachhunde finden derweil eine Heuschrecke und knuffen sie. Vielleicht kommt ja bald jemand, der mir Wein verkaufen möchte.

Zwei gefährliche Wachhunde

Etwa eine halbe Stunde vergeht. In der Ferne, in den Weinbergen, steht ein Auto. Vielleicht der Winzer? Er klettert in den Rebstöcken herum. Ich könnte hinfahren und ihn fragen.

Ich steige also ins Auto, holpere ein Stück den Wirtschaftsweg hinauf, steige dann aus, gehe zu Fuß. Doch als ich an dem Auto ankomme, ist von dem Winzer keine Spur. Ich gehe ein wenig nach links und nach rechts und beschließe zu warten.

Die Landschaft ist wirklich einzigartig hier: karge Berghänge, leichter Wind im Schatten des schneebedeckten Mulhacén, dem höchsten Berg auf der Iberischen Halbinsel. Plötzlich, auf dem Gehöft: Bewegung. Ich sehe ein Auto, einen Menschen. Er bewegt sich. Soll ich wieder runterfahren? Ich komme mir vor wie bei „Hase und Igel“. Leider bin ich der Hase.

Bodega Barranco Oscuro

Ich laufe und fahre wieder hinunter zum Weingut. Doch dort: nichts. Wieder: vollkommene Leere und Stille. Das Auto ist fort. Ich warte noch eine halbe Stunde. Dann fahre ich.

Den Wein finde ich später, wie soll es anders sein, nur zwei Kilometer von meiner Berghütte entfernt, in einer kleinen Weinhandlung in Lanjarón.

Kommentare

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  1. Clemens sagt:

    Liebe Frau Nessy,
    schön dass Sie wieder da sind!

    Die Berichte lesen sich fantastisch – mit der richtigen Musik im Ohr kommt richtiges Spanienflair auf, und ich hätte gerade große Lust, mich in irgendeine tolle Tapasbar irgendwo in Spanien zu sitzen und dort den Abend zu genießen!

    So bediene ich mich aber hier im Kaffeehaus mit Herz – auch nicht schlecht ;-)

    1. Frau Nessy sagt:

      Oh ja, die Tapas – auch sehr lecker. Allein die in Öl eingelegten Paprika. Großartig!

  2. Chris^2 sagt:

    Ich muss gestehen, das ich ja schon ein klein wenig neidisch bin. Wobei es auf Rügen auf ganz nett war :-)

  3. Nochmals goettlich.
    Ohne Ende.
    Leider geil.
    Ich wuensche mich mal schnell hin…und vermutlich nie wieder zurueck.

  4. jpr sagt:

    Die Hunde merken natürlich, ob Sie das mit der ‚pasión‘ ebenfalls so sehen und sind deshalb friedlich. Oder Sie hätten die beiden nach ein paar Flaschen fragen müssen. In einer so verzauberten Gegend wären doch auch noch verzauberte Gehöftbesitzer am richtigen Platz.

    1. Frau Nessy sagt:

      Ich habe es versucht. Aber die lieben Hunde wollten nur gekrault werden. Was natürlich nicht ausschließt, dass sie verzaubert sind.

  5. Mercator sagt:

    Jetzt trinke ich ja nicht so viel Wein im Jahr. Höchstens 3 – 5 Flaschen. Und freue mich natürlich, wenn ich für diese raren Gelegenheiten ein gutes Tröpfchen genießen kann (meistens weißer Frankenwein aus der Würzburger Gegend…).

    Aber dieser Rotwein hat mich jetzt so neugierig gemacht, dass ich mir gleich eine Flasche bestellen mußte (vielen Dank für den Link). Ich bin sehr gespannt und enttäusche meine Freunde der nächsten Weinrunde hoffentlich nicht, nachdem ich die Flasche mit vollmundigen Worten vorgestellt habe.

    1. Frau Nessy sagt:

      Es ist meines Erachtens wirklich ein sehr guter Wein. Wobei ich kein Experte bin: Ich trinke einfach nur, was mir schmeckt. Eigentlich trinke ich auch nicht oft Rotwein, sondern lieber weiß, aber hier mache ich eine Ausnahme.

  6. alex sagt:

    Phantastisch.

  7. guck mal, liebe Frau Nessy! der Wein ist angekommen:

    http://herrpilimpi.tumblr.com/post/85223444703/der-wein-ist-da

    da freu` ich mich schon drauf!!!

    1. Frau Nessy sagt:

      Sagen Sie mal Bescheid, wie er Ihnen schmeckt.

    2. Liebe Frau Nessy,
      das kann noch etwas dauern, weil ich ja gerade meinem Körper zu erklären versuche, mit weniger Kcal auszukommen (Blog) und so einen guten Tropfen nur als Belohnung einbaue und auch nicht nur so „wegtrinken“ will, aber ich werde AUF JEDEN FALL Rückmeldung geben :-)
      Grüßle
      Herr Pilimpi

  8. Guten Morgen allerliebste Frau Nessy !
    Vorgestern, Freitagabend, trank ich den von Ihnen im obigen Post erwähnten Wein. Die allererste beiden Gedanke, die mir durch den Kopf schossen, waren „Barrique“ und „Himbeere“, auf dem direkten Fuß gefolgt von „wahnsinnig trocken“ und dann hatte ich das Gefühl, als ob aus dem Schluck, den ich gerade im Mund hatte, explosionsartig der Alkohol verdampft.
    Der Wein hat mir nicht geschmeckt. Mir ist da zuviel „Barrique“ und „trocken“. Was nicht heissen soll, dass ich ihn nicht nocheinmal in einer ganz anderen Situation testen werde, und zwar heute mittag zum Mittagessen. Aber so ganz mein Freund wird er nicht.
    liebe Grüße
    Herr Pilimpi

    1. Frau Nessy sagt:

      Ach – sehr schade. Aber so ist das nunmal: Geschmäcker sind verschieden. Trinken Sie eher lieblich?

      Ich finde den O2 ja, obwohl trocken, recht fruchtig.

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