Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Tumult in der U-Bahn

16. 3. 2013 48 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Die U-Bahn ist voll.

Heute fährt nur ein Kurzzug. Normalerweise fährt auf dieser Strecke ein Langzug, das sind zwei Waggons. Diesmal ist jedoch nur ein Wagen da, deshalb müssen alle, die sonst in zwei Wagen passen, etwas zusammenrücken. Schon an der zweiten Station stehen die Leute dicht, warm und behaglich. Wer das Miteinander mag, der ist hier richtig.

Eine alte Dame steigt zu. Sie ist rüstig, wenn auch sicher über 80, klein und drahtig. Ich kann sie mir gut vorstellen, wie sie beim Turnfest ’53 im Hamburg mit einer vollendet eleganten Kür den ersten Platz im Rhönradturnen belegte, vielleicht auch bei der Sportgymnastik, in einem weißen Turnanzug und gemeinsam mit ihren Kameradinnen Gerda, Herta und Hannelore, wobei Herta immer eher dicklich war, aber beweglich wie eine südamerikanische Rollschlange.

Die alte Dame steht, der Enge geschuldet. zwischen zwei Vierersitzen. Vor ihr sitzt eine Mutter mit ihrer Tochter, das Kind vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Ob sie dort bitte sitzen dürfe, fragt die Dame. Umstehende nicken sofort, murmeln etwas von Respekt und älteren Herrschaften.

Die Mutter verneint. Das Kind müsse sitzen, sagt sie. Es fiele sonst um.

Die Dame entrüstet sich. Sowas hätte es früher nicht gegeben, sagt sie. Wenn das Kind schon sitzen müsse, was sie nicht verstehe, aber bitteschön, könne doch wenigstens sie, die Mutter, für eine alte Frau aufstehen. Das Murmeln im Waggon wird zu einem Raunen. Unverschämt sei es, das Verhalten der Mutter. Sie sei eine junge Frau, sie könne zweifellos stehen, früher – und es folgen nun einige Redundanzen – hätte es sowas nicht gegeben, da sei es selbstverständlich gewesen, für Ältere aufzustehen, man selbst habe das immer getan, da habe es gar kein Vertun gegeben, und überhaupt, das Kind, unbegreiflich, warum es sitzen müsse, früher sei man fünf und mehr Kilometer zu Schule gelaufen, die heutige Jugend sei verweichlicht bis dorthinaus, aber nun ja, eigentlich könne sie nichts dafür, Schuld daran trügen allein die Eltern, denn wer solch eine Unverfrorenheit vorlebe, dessen Kinder könnten gar nicht anders als missraten.

Die Mutter verschränkt trotzig die Arme vor ihrer Brust. Jetzt bleibt sie erst recht sitzen. Auf Türkisch redet sie auf ihre Tochter ein, streicht ihr über den Kopf.

Aha. Für die Gruppe neben mir, eine ältere Frau und zwei Herren, ist nun alles klar. Eine Ausländerin. Das hat man auch nicht anders erwartet. Diese Leute wüssten ohnehin nicht, was gute Erziehung sei, das habe man schon häufiger erlebt, diese tiefe sitzende Dreistigkeit. Ich denke: Ihr habt alle noch nicht mit einem Koffer oder einem Kinderwagen an der Treppe zum Bahnsteig gestanden. Die Einzigen, die dort helfen, sind die Türken, die Araber und die Russen, eigentlich alle, nur nicht die Deutschen.

Ein junger Mann steht weiter hinten auf und bietet der alten Dame seinen Platz an, aber die möchte jetzt nicht mehr. Entweder auf dem Platz der Mutter oder gar nicht, es müsse nun wirklich kein anderer aufstehen, wenn es doch der Sitz vor ihr ist, der ihr gebührt.

Wir erreichen die Innenstadt. Der Waggon leert sich, die Dame steigt aus. Eine Station weiter verlässt auch die Mutter mit dem Kind die U-Bahn, die Aufregung legt sich, ein Punk blockiert für einen Oppa mit Rollator die Tür, dann setzen wir die Fahrt vor. Es gibt nun nichts mehr zu sehen, alle können sitzen.

Kommentare

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  1. Anne sagt:

    Wer selber nicht aufsteht, darf auch nicht murmeln und raunen. In anderen Ländern ist es übrigens üblich, dass man vor allem Kindern die Plätze frei macht, damit die sitzen können. Tja.

    1. Praline sagt:

      Das habe ich noch nie gehört; in welchen Ländern ist das denn üblich?

      Ich bin zwar etwas jünger als die Rönrad-Dame, aber ich habe in meiner Kindheit nie in gut gefüllten Straßenbahnen sitzen können. Es war eine Selbstverständlichkeit, daß Kinder keinen Platz beanspruchen konnten, solange ein Erwachsener keine Sitzmöglichkeit gefunden hatte. – Ich hatte mich immer damit getröstet, daß ich dann spätestens im Alter sitzen könne. Nun, die Hoffnung stirbt zuletzt.

    2. Nessy sagt:

      Dass Kinder grundsätzlich stehen müssen, finde ich nicht, solange der oder die stehende Erwachsene gesund ist. Manch einer fährt ja nur ein oder zwei Stationen, das wäre ja ein ständiges Auf und Nieder.

    3. Anne sagt:

      Meine Eltern erzählten, wenn ich mich richtig erinnere, dass es in Thailand viel üblicher ist, dass man die Kleinen sitzen lässt. Ob das nur eine persönliche Einschätzung war oder das tatsächlich in der Kultur allgemein üblich ist, kann ich allerdings nicht sagen.

  2. Fjonka sagt:

    Der Dame sei Dank, ich möchte ihr mal ausdrücklich zustimmen- nichts schlimmer als all diese Prinzen und Prinzeßchen ringsum, denen ALLES und IMMER gebührt- soll sich doch die alte Frau die Hüfte brechen beim hinfallen- Hauptsache Little Miss Beauty wackelt nicht.
    Wer hat mal von der hübschen Sitte gehört, Kinder auf den Schoß zu nehmen, wenn alte Leute einsteigen? Dann fällt das arme Kind auch nicht um ….
    So. Jetzt fahr‘ ich mich erstmal wieder runter, seit meiner letzten Zugfahrt im überfüllten Wagen mit 5köpfiger Familie, die trotz vieler älterer SteherInnen 5 Plätze belegten, ohne auch nur das geringste Anzeichen schlechten Gewissens zu zeigen, bin ich da ein winziges Bißchen …. *räusper* …. sensibilisiert ;-)
    Muß ich eigentlich ausdrücklich dazu sagen, daß es mir so richtig total egal ist, welche Nationalität welche der handelnden Personen hat? Ich glaube, ich muß wohl *seufz*

    1. Wolfram sagt:

      Ein so kleines Kind muß nicht in der u-Bahn stehen, das ist richtig. Denn dieses Kind kann sich nicht selbst Halt verschaffen. Und wenn dann ein Unfall passiert, wer ist schuld?
      Allerdings bin ich mit dir einer Meinung, so ein kleines Kind kann man auch auf den Schoß nehmen. Damit bricht man sich nichts ab.

      In der Pariser Metro hab ich übrigens nie gesehen, daß von so einem kleinen Kind das Stehen verlangt würde…

  3. Frau Vorgarten sagt:

    wieder so ne „Miljöhstudie“.
    Danke für die 2 P im Oppa.
    (ich mein … wie soll man das auch sonst schreiben.)

    1. Nessy sagt:

      Dat kamman gar nich anders schreiben. Dat musso.

  4. Luna sagt:

    Und jetzt frage ich mich, was genau diese alte Daeme denn Besonderes geleistet hat, um genau diesen Sitzplatz als ihr zustehend zu betrachten? Nochdazu, wenn sie dann von fehlendem Respekt redet aber gleichzeitig andere nötigt, ja fast mobbt ihren Sitzpatz aufzugeben. Die Mutter und ihre Tochter haben wie alle anderen auch für die Fahrt bezahlt, hatten das Glück einen Platz zu ergattern und fertig. Ich denke, niemand hat das Recht bessere Behandlung aufgrund von Alter einzufordern, sondern andere haben die Freiheit zu entscheiden, ob und wann sie ihre Bedürfnisse für andere hinten anstehen lassen.

    1. Ich hoffe für Sie, dass Sie niemals alt werden.

    2. Nessy sagt:

      Das sehe ich anders. Wenn jemand gebrechlich ist, sollte derjenige, der körperlich besser beieinander ist, den anderen sitzen lassen. Egal welchen Alters – aber meistens spielt das Alter ja doch eine Rolle. Ich jedenfalls stehe für ältere Herrschaften auf. Es sei denn, ich habe für meinen Sitzplatz im ICE bezahlt und die Dame hat keine Reservierung. Dann stehe ich nur auf, wenn sie der Ohnmacht nahe ist.

    3. Fjonka sagt:

      Ich denke nicht, daß man dafür etwas LEISTEN muss. Finde es ganz schlicht eine menschlich-angenehme Tradition, Menschen, die alt (und deshalb, auch wenn sie vielleicht mal Rhönradmeisterin waren *g*, verletzungsgefährdeter sind) einen Platz zu überlassen (Um genau DIESEN Sitzplatz und ums Prinzip ging’s erst, wenn ich richtig las, nachdem sie gebeten hatte und abschlägig beschieden wurde)
      Ich selbst bin „mittelalt“ und mache auch Platz. Sogar – allerdings mit knirschenden Zähnen – wenn ich in der Bahn einen reservierten, bezahlten Sitzplatz habe und dann ein stackeliger alter Mann kommt, der nicht reserviert hat. Jedenfalls, wenn er dann nicht VERLANGT, sondern einfach nötig hat http://wp.me/pYt3F-ia

    4. Nessy sagt:

      Zu letztgenannter Thematik: Ich habe es schon sage und schreibe dreimal im IC/ICE erlebt, dass ältere Leute nicht reserviert haben, dann aber darauf bestanden, sitzen zu wollen – aufgrund ihres Alters. Da sage ich: sorry, nein. 30 Kilometer vor dem Ziel können wir darüber reden, aber nicht, wenn ich noch von Stuttgart bis nach Dortmund muss. Die Herrschaften waren im Fall übrigens weder stakelig noch gebrechlich.

    5. Wolfram sagt:

      „Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen“ ist eine Weisheit, die schon über 2000 Jahre alt ist.
      Die heutigen Siebziger sind übrigens zu bedauern: als sie klein waren, hatten Kinder sich vor den Erwachsenen und speziell der Großelterngeneration ganz klein zu machen, und heute, wo sie die Großelterngeneration sind, ist es genau umgekehrt. Arschkarte nennt man das in meiner Heimat.

  5. Hach ja… wie sagte Peter Ustinov so schön: „Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.“
    Nicht umsonst hat er sich wohl der Erforschung von Vorurteilen angenommen. Und dazu zähle ich persönlich auch, dass die einzigen, die an der Treppe beim Kinderwagen und Koffer tragen helfen würden, Türken, Araber oder Russen sind.

    1. Nessy sagt:

      Selbstredend ist das murmelnde Publikum bislang immer und in jeder Situation aufgestanden, selbst mit vier Koffern auf dem Schoß, hat sich in dem schweren Winter 78/79 mitten im Schneesturm die Schuhe abgestreift, um sie den Bettlern zu geben, und hat auch sonst noch nie einen Knopf in den Klingelbeutel geworfen.

    2. Wenn ich mich fertig von einem schweren und schwierigen Dienst in die voll besetzte Trambahn wuchte, dann sind es in der Regel Menschen mit deutlich erkennbarem Migrations-Hintergrund, die aufstehen und ihren Platz anbieten. Deutsche bleiben stur sitzen, und beglotzen einen wie Stockfische…

    3. URi sagt:

      Das mit den Türken, Araber, Russen und den Vorurteilen ist meines Erachtens dieser dämlichen political correctness geschuldet. Weiter unten sieht man ja auch noch ein schönes Beispiel (Menschen mit Migrationsuntergrund *schüttel*). Ein Türke ist ein Türke, so wie ein Deutscher ein Deutscher ist. Und der Türke ist bei uns ein Ausländer, so wie ich in der Türkei ein Ausländer bin. Wir überschlagen uns hier fast vor lauter Gutmenschentum und versuchen mit aller Gewalt so politisch korrekt zu sein, nur damit wir nicht als Rechte oder Nazis hingestellt werden. Ich bin weder das eine, noch das andere, aber – wie geschrieben – nutze ich trotzdem das Wort Ausländer, was ist denn da schlimm dran? So, sorry für OT aber das nervt mich *tiefeinundwiederausatme_wiederbesser*…

      Und bezüglich des Helfens: Meinen Beobachtungen nach ist das mehr vom Alter, als von der Staatsangehörigkeit abhängig. Vielleicht auch noch von der Herkunft. Und damit meine ich jetzt nicht das Land, sondern die Gegend. Ein 16-jähriger aus Klein-Gumpen handelt wahrscheinlich schon anders als ein 16-jähriger aus Berlin-Neuköln.

      P.S. Wenn die Bahn/Bus voll ist und ein älteres Mütterchen oder Väterchen einsteigt, dann mach ich Platz, bevor er fragt.

    4. Ein Mensch mit Migrationshintergrund kann aber auch ein Deutscher sein und muss nicht unbedingt Ausländer sein…

      Ich bin halt eine „deutsche Kartoffelfresserin“, wie meine Klienten so schön sagen, und stehe trotzdem für Leute, die sitzen müssen, auf. Und ich helfe immer beim Koffer- Einkaufstütentragen wenn Bedarf besteht. Deswegen halte ich es für ein Vorurteil, dass nur Türken, Russen und Araber hilfsbereit sind und Deutsche bloß wie Stockfische gucken. Jedenfalls ist das in meiner Stadt nicht so. ;-)

  6. Fjonka sagt:

    @Nessy – DA wäre dann für mich auch die Grenze. Deshalb auch mein „wenn er dann nicht verlangt….“. Kann man im verlinkten Artikel auch nachlesen- „mein“ alter Herr war extrem nett und die Situation ihm sehr peinlich. War wohl sehr lang nicht Zug gefahren und hatte das einfach nicht auf der Reihe gehabt mit dem reservieren.
    Sowas wie Ihnen ist mir zum Glück noch nicht passiert. da würde ich mich wohl schnell in der Trotzhaltung der türkischen Ubahn-Mutter wiederfinden *gg*

    1. Nessy sagt:

      In Ihrem Fall wäre es wohl der Vernünftigste, dass (sollten alle noch eine längere Strecke zu fahren haben) die jüngeren Leute sich abwechseln und immer mal jemand anders steht. Habe ich übrigens auch schon erlebt – und gestaunt. Profibahnfahrer unter sich.

    2. Fjonka sagt:

      Genau das haben wir getan- zu 4. 4 BahnfahrerInnen, die sich zuvor übrigens nicht kannten, haben sich abgewechselt mit im-Gang-stehen. Hat was. Aber ich wollte das hier nicht so ausführlich….. deshalb der Link … nuja *sanfterröt*

    3. Nessy sagt:

      Das macht doch nichts. Hier im Kaffeehaus plaudern wir gern.
      //*schenkt Kaffee nach, holt neue Kekse

    4. Fjonka sagt:

      *lol* na, dann… beim nächsten Mal ….

  7. Nadine sagt:

    Hmm also mir haben schon sowohl Deutsche, wie auch Türken, Araber und sonstige Nationalitäten geholfen und genau so viele davon haben auch weggeschaut und sind wortlos vorbei gelaufen.

    Rüstig hin, rüstig her, ich bin auch der Meinung, dass ein 4 oder 5 jähriges Kind auf dem Schoß der Mutter Platz finden kann. Und wenn die Dame schon nach einem Platz fragt, wird sie vielleicht einfach doch nicht so rüstig sein, wie sie nach außen wirkt, immerhin muss man auch ein wenig vom Stolz beiseite rücken wenn man um Hilfe fragt. Und Schmerzen in Hüfte, Knie oder sonstwo sieht man den Herrschaften oftmals nicht an. Ist halt immer eine Frage vom Tonfall. Wer freundlich bittet und vielleicht noch begründet, bekommt in der Regel auch eine dementsprechend freundliche Reaktion. Ausnahmen gibt es zwar auch hier, aber die verbuche ich unter wirklich unter Ausnahmen und dann findet sich meist auch jemand anderes, der bereit ist, auf seinen Platz zu verzichten.

    Und im Zweifelsfall: Ärger weglächeln :)

  8. Christine sagt:

    Ja, erstmal würd ich auch davon ausgehen, dass die Mutter wahrscheinlich ihr Kind hätte auf den Schoß nehmen können.
    Aber: Man sieht Menschen oft gar nicht an, ob sie sitzplatzbedürftig sind oder nicht. Normalerweise stehe ich selbstverständlich für ältere Menschen auf, ebenso wie für Schwangere und für Kleinkinder. Ich stehe außerdem auch immer auf, wenn mich jemand höflich anspricht. Weil ich helfe, wenn mich jemand drum bittet. So bin ich erzogen worden. Tut auch einer Gesellschaft gut, wenn Menschen so ticken.
    Ich mag es nicht, wenn Menschen offensiv Respekt vor dem Alter verlangen und sich selbst alles andere als höflich und rücksichtsvoll verhalten. Der Generationenkonflikt hat ganz wesentlich damit zu tun, dass alte Menschen sich oft aggressiv-fordernd und anmaßend verhalten, einem an der Kasse ihren Einkaufswagen in die Hacken rammen und an der Fleischtheke grundsätzlich als erstes dran sind, egal, wann sie eingetroffen sind. Das muss man nicht toll finden.

  9. Pan sagt:

    Die Frau hat doch recht. Omma hat zielsicher den einzigen Menschen angesprochen, der sich tatsächlich nicht festhalten kann, einfach weil sich alle Halteschlaufen und Stangen zu weit oben für kleine Kinder befinden. Wenn sie sitzen will, soll sie einen Erwachsenen fragen, der da hinkommt.

    Ich habe Glasknochen. Die sind genetisch, deswegen hatte ich die auch schon mit 5. Ich konnte (und kann) in den Öffentlichen nicht stehen oder laufen, weil die Gefahr hinzufallen zu groß ist. Als Kind wurde mir permanent von älteren Leuten befohlen(!), für sie aufzustehen. Auch in fast leeren Bussen, auch wenn sie sowieso nur eine Station fahren wollten, auch wenn meine Eltern ihren Platz angeboten haben. Seit ich erwachsen bin, hat das aufgehört. Weil das oft reine Schikane ist, und die traut man sich eben nur bei vermeintlich Schwächeren.
    Ich könnte niemals einen Sitzplatz ablehnen, weil ich wirklich einen brauche. (Ich könnte auch nie in eine überfüllte Bahn einsteigen, sondern müsste auf die nächste warten, weils sonst zu gefährlich ist. Anderes Thema.) Wer also in so einem Fall ablehnt und lieber auf irgendwelchen gefühlten Ansprüchen und Prinzipien besteht, der hatte den Sitzplatz erst gar nicht nötig. Und wer seinen Sitzplatz nicht nötig hat, der bekommt halt keinen.

  10. Zaphod sagt:

    Es gibt tatsächlich noch Eltern, die ihren Kindern diese gute alte Sitte nahebringen, hat mich neulich selber überrascht. War mir zwar etwas peinlich, weil ich noch nicht sooo alt bin, aber vielleicht hat man mir angesehen, dass ich vorher drei Stunden im Stadion stehen musste *g*

  11. Anne sagt:

    Ich sehe das prinzipiell so, dass es alles sehr individuell ist. Ich hatte auch schon Fahrten, wo es mir mit Anfang 30 echt so schlecht ging (kaputt oder sogar krank), dass ich meinen Sitzplatz auch nicht so einfach abgegeben hätte. Da sah ich vielleicht noch jung und fit aus, war aber im Zweifelsfall auch kurz vorm Umfallen.

    Im Übrigen finde ich, dass gerade Kinder eben schon viel eher sitzen müssen als Erwachsene. Letztlich geht es immer um den Ton und die Situation. Warum ausgerechnet ein Kind gefragt wird, lässt eben auch Interpretationen zu: Weil es sich am schlechtesten wehren kann? Am ehesten auf Erwachsene hört? Es vermeintlich den geringsten Widerstand gibt? Und dass ich da als Mutter vielleicht auch ein bisschen instinktiv mit Abwehr reagiere, kann ich ehrlich gesagt verstehen.

    Für mich kommt es auch sehr darauf an, wie jemand fragt. Und letztlich bin ich auch der Meinung, niemand muss sich prinzipiell dafür rechtfertigen, wenn er einen Sitzplatz nicht freigibt, jedenfalls nicht, wenn um ihn oder sie herum genug andere Menschen sitzen, die auch aufstehen könnten und die dann nur murmeln und verschwörerisch nicken.

    Und wenn die Dame nachher wirklich auf diesen Platz bestanden hat, obwohl ihr ein anderer angeboten wurde, dann tja. Da sieht man auch mal, wie da so die Denke ist.

  12. Katarina sagt:

    Bei einer über 80jährigen…. da versteh‘ ich die Haltung einiger Kommentatoren von wegen „kein Recht auf Sitzplatz“ nicht. Wirklich nicht. Ganz egal wie die Dame sich verhält. Genau genommen steht man da schon auf wenn man sie sieht, bevor sie extra fragen muss.
    Das sollte doch bitte eine Selbstverständlichkeit sein….

  13. FrauEngerl sagt:

    Ich habe einen ausgesprochen mobilen Wanderwirbel – ich fürchte ja dass er nach ausgibiger Bespaßung durch die Bildungsbandscheibe beschlossen hat selber eine zu werden. Dann hät ich zumindest schon 2 Wochen Martyrium hinter mir – wir werdens Montags wissen. Frau Nessy wenns ihre Bildungsbandscheibe bei mir ein Geschwisterchen gefunden hat – könnte die Ihre dann der kleinen Schwester bittedanke gut zureden damit sie sich net auch nen griechischen Lover zulegt?

    Was wollt ich sagen? Ahja – ich kann mit und ohne Wanderwirbel ab und zu nicht stehen – ich und mein Kreislauf haben nämlich eine „es ist kompliziert“-Beziehung. Manchmal trennt sich der ausgesprochen spontan von mir. Letztens in der Ubahn mieinte mein Kreislauf auch dass er sich JETZT hinsetzen will – du hast 20 sekunden um freiwillig zu gehorchen sonst übernimmt er das und legt dich flach. Also Wanderwirbel der weder stehen noch sitzen will – Kreilsauf der sitzen will – rund um mich die Rüstigen Romeespieler (das stand auf den orangen T-shirts). Ich eine der am jüngsten aussehenden rüstigen Dame „Bitte entschuldigung – könnte ich mich hinsetzen? mein Kreislauf will gerade nicht wie ich will.“ “ Wo kommen wir denn da hin – natürlich nicht“ „Bitte es wäre wirklich dringend“ „Werden Sie mal so alt wie ich – dann sehen sie wie schlecht es einem gehen kann“.
    In dem moment dürfte meine GEsichtsfarbe von blass auf schneeweiß gewechselt sein – weil ein sehr unrüstiger Rentner sprang auf.. setzte mich auf seinen Sitzplatz und meinte „Ich bin von Stalingrad heimgegangen – da bringen mich 1 km stehen auch nicht mehr um – wollen sie ein Zuckerl?“ Er hat dann übrigends darauf bestanden mich nicht nur bis zur Haustüre sondern bis zur Wohnungstüre zu begleiten – mit gereichtem Arm und so. (Ok war nur quer über die Straße aber trotzdem … hach die gute alte zeit :) )

    Der langen Rede kurzer Sinn: A***löcher gibt es überall. Ich finde es aber tatsächlich ein Unding wenn jemand schon bittet sich hinsetzen zu können (also angemessen höflich) dann möge man dem doch Platz machen- weil vielleicht kann der wirklich gerade nicht mehr – oder hat wie ich noch genau 20 Sekunden um seinen Körper in eine bessere Position zu bringen :)

    1. Nessy sagt:

      Ja – als junger Mensch wird man manchmal komisch angesehen und stößt auf wenig Verständnis, wenn man sitzen muss. Kenne ich von meinen Bänderrissen. Die sieht man ja auch nicht sofort.

    2. FrauEngerl sagt:

      Vielleicht sollten wir uns T-shirts drucken lassen „Auch ohne Stalingrad gebrechlich“ .. ok ich geh mich wegen der politischen Unkorrektheit schämen.

    3. Blogolade sagt:

      Frau Engerl, Sie haben auch einen Kreislauf der sie vorwarnt? Das ist praktisch, nicht wahr? Mir geht das auch immer so (auch wenn ich nicht weiß, was ein Wanderwirbel ist). Ich sitze dann allerdings am besten auf dem Boden.

      Ich kann hier bei vielen Leuten unterschreiben. Besonders, dass die Leute mit „Migrationshintergrund“ oft (nicht immer) hilfsbereiter sind als die Einheimischen dieser Gegend. Letztere fallen mir immer mehr negativ auf: sie leben in ihrer eigenen Welt, pochen lauthals auf ihre Rechte und vergessen dabei, dass auch andere Menschen gerne mit einem „Guten Tag“ oder „Entschuldigen Sie“ angesprochen werden wollen. Ich mag hier nicht mehr gerne wohnen, auch wenn die Gegend sehr nett ist.

    4. FrauEngerl sagt:

      @ Blogolade

      ja ich hab einen wohlerzogenen Kreislauf – der meistens Vorwarnungen schickt. Im Hochsommer weigert sich mein Kreislauf aber meist mit mir aufzstehen – ohne vorher zu warnen.

      Ein Wanderwirbel ist ein Wirbel der sich leicht „verschieben“ lässt bzw leicht „blockiert“ – Hexenschuss und so. Auaauauauaua und so :)

      Ich wohne in einer Gegend mit hoher Migrationsdichte – ich habe keinen nennenswerten Unterschied zwischen Migranten und Österreichern festgestellt.

  14. Ich bin auch so erzogen worden, älteren ,oder die danach aussehen als ob sie einen bräuchten, meinen Sitzplatz anzubieten. Natürlich um so lieber, wenn der andere nett fragt.

  15. der_mike sagt:

    Speziell die Erfahrung, dass man Hilfte vor allem von denen erlebt, die man gemeinhin als proletenhaft erlebt – Türken, Russen und Araber – kann ich nur bestätigen. Ich muss mich da auch immer ob meiner Vorurteile schämen, wenn ich deren Hilfsbereitschaft auch in kleinen Dingen erlebe.

  16. Lunocat sagt:

    Ich habe es auch schon öfter gehabt, dass ich „gebrechlichen Leuten“ meinen Platz angeboten habe und ich dafür noch nicht mal ein Dankeschön zu hören bekommen habe, bzw. eher noch rumgemeckert wurde, dass sie zu früheren Zeiten nicht so lange auf einen Platz hätten warten müssen. Das schreckt dann auch eher ab und ich bleibe dann auch eher sitzen.

  17. buecherhase sagt:

    Ich hätte das Kind auch auf den Schoß genommen oder wäre selber aufgestanden. Kleinen Kindern und Älteren ist gemein, dass sie nicht mehr die Standfestigkeit haben, deswegen überlässt man ihnen freundlicherweise die Sitzplätze. Obwohl ich sagen muss, wenn ich einen langen Tag hatte und ich total k.o. bin, dann möchte ich auch gerne meinen Sitzplatz haben^^
    Die Erfahrung, dass Menschen mit Migrationsuntergrund diejenigen in Deutschland sind, die einem noch tragen etc. helfen kann ich nicht teilen. Meiner Erfahrung nach machen das meist ältere Herren, bis zu den 40 Jährigen ist es ein Glücksspiel. Und generell habe ich festgestellt, dass Leute immer dann helfen wollen, wenn ich meinen Wochenendekoffer dabei habe, aber nicht wenn ich den großen habe, der für eine Woche reicht ;)

  18. […] Gröner wartet auf die S-Bahn und guckt sich Leute an. Die liebe Nessy fährt U-Bahn. Mehr braucht’s ja gar nicht, für ein gutes Blog, im Grunde sind wir Blogger ja sehr […]

  19. alasKAgirl sagt:

    Ja, schwierig. Die alte Dame meint, sie hat es nötig zu sitzen und deshalb soll jemand für sie aufstehen. Allerdings weiß sie ja nicht, ob es die Mutter und das Kind auch nicht gerade nötig haben zu sitzen. Deswegen sollte sie auch akzeptieren, dass die ihre Sitzplätze behalten wollen. Gibt ja genug andere, die auch einen Sitzplatz anbieten könnten.
    Grundsätzlich finde ich es aber immer wieder erschreckend, mit welchen Scheuklappen die Leute hier in Stuttgart in der S-Bahn sitzen. In zwei Schwangerschaften bin ich täglich S-Bahn gefahren und genau ein mal hat mir jemand seinen Sitzplatz angeboten. Und das Stehen ist mir wirklich manchmal schwer gefallen. Und als ich da mal so stand mit meinen Riesenbauch und mich ärgerte, stieg ein Mann mit Krücken ein. Für den ist auch niemand aufgestanden. Damals habe ich die Theorie aufgestellt, in der Stuttgarter S-Bahn könnte man ein Kind gebären, ohne dass jemand von seiner Zeitung hoch schaut.

  20. Gottfried sagt:

    Mich nerven sie. Also diese RentnerInnen, die rüstig genug sind, um am Berufsverkehr teilzunehmen, damit sie frühmorgens die Wartezimmer zu verstopfen können. Und dann noch Reden schwingen, die auf dem Weg zur Arbeit wirklich niemand braucht.

    Und über mich ärgere ich mich; weil ich trotzdem aufstehe. Auch wenn ich es für nicht richtig halte. Aber diese empörten mitleidheischende Blicke sind ja nicht auszuhalten.

  21. fxhakan sagt:

    interessant, welch wendung ein weiteres detail dem ganzen gibt!

    hätte sie fünf kinder, wäre die mutter wohlmöglich als asozial abgestempelt worden. wäre sie harz iv empfängerin, hätte man sie vielleicht als schmarotzerin abgetan. was wäre, wenn die alte dame grimmig und unsympathisch blicken würde oder die mutter eine sehr attraktive frau mit engelsgesicht gewesen wäre…

  22. Was ich von der Geschichte halten soll, weiß ich nicht so recht. Auf der einen Seite denke ich als nicht-Beteiligte sie hätte ihr Kind auf den Schoß nehmen können (wobei ich nicht weiß, ob große Tüten oder ein anderes Kind im Spiel waren), aber andererseits wäre es doch auch kein Problem gewesen, wenn sich die ältere Dame woanders hingesetzt hätte.
    Aber das hat mich grad sehr an eine Geschichte erinnert, die mir mein Opa erzählt hat…
    Meine Oma, er und mein Vater (damals vielleicht fünf Jahre) haben einen Ausflug mit dem Bus gemacht. Weil er sehr voll war, suchten meine Großeltern nur für meinen Vater einen Sitzplatz und blieben selbst stehen. Man muss dazu wissen, dass meine Oma schon immer eine Hüftfehlstellung hatte und auf Krücken lief. Irgendwann stieg eine Dame ein, etwas jünger als meine Großeltern und auch völlig ohne Krücken, die den Platz von meinem Vater wollte. Meine Oma meinte dann nur zu ihm „Steh mal auf!“, nahm ihn auf den Schoß und da man eine Frau mit Krücken nicht vom Platz scheuchen konnte, zog die Dame beleidigt von dannen.

  23. LinaLuna sagt:

    Hm. Warum hat die Frau denn nicht einfach so ein kleines Kind auf den Schoß genommen? Geht doch auch, oder?

  24. Monall sagt:

    Leider ist es mittlerweile normal , dass jedes Kind einen eigenen Sitzplatz braucht – ganz egal wie voll die S-Bahn ist und wie viel dringender manch anderer einen Sitzplatz braucht.

    In meiner Kindheit – und mit 26 ist das ja noch nicht so lange her – durfte ich nur in der S-Bahn sitzen, wenn ausreichend Platz war. Wenn es voller wurde, durfte ich wahlweise auf dem Schoß meiner Mutter sitzen oder musste stehen. Umgebracht hat es mich nicht. Mir wurde immer erklärt, dass die Leute, die den ganzen Tag gearbeitet haben oder älter sind, den Sitz dringender brauchen als ich.

    Und wenn das Kind zu groß ist, um auf dem Schoß der Mutter zu sitzen, ist es i. d. R. alt genug, um stehen zu können (mit Festhalten am Sitz oder der Mutter).

    Leider werden grundsätzliche Höflichkeiten immer seltener. Und meiner subjektiven Meinung nach sind die, die anderen solche Höflichkeiten verwehren auch die, die sich über mangelnde Höflichkeit ihnen selbst gegenüber beschweren (keinen Platz für ältere, gebrechliche oder behinderte Leute machen aber beschweren, dass ihnen z. B. niemand den Kinderwagen die Treppe rauf/runter trägt).

    Was ich aber nicht verstehe, ist dieses beschweren, dass einem nicht unaufgefordert geholfen wird oder der Platz freigemacht wird. Wenn es z. B. einer Schwangeren gerade schlecht geht, kann sie doch einfach um einen Platz bitten – die wenigsten lehnen doch so etwas ab. Genauso an Treppen, bittet doch einfach höflich um Hilfe. Ich registriere oft im Zug nicht, wer um mich herum eingestiegen ist, weil ich in’s lesen vertieft bin. Wenn jemand mich aber kurz anspricht, ist es selbstverständlich, dass ich Platz mache. Beschweren ohne vorheriges Ansprechen geht gar nicht.

  25. Lillibelle sagt:

    Also ich hätte mein Kind auch nicht aufstehen lassen. Wie schon vorher angemerkt wurde, sind die meisten Bahnen nicht unbedingt darauf ausgelegt, dass sich Kinder problemlos festhalten können. Zudem sind sie in dem Alter auch mit dem Kopf in der Höhe von Taschen, Rucksäcken u.ä., sodass in einer engen Bahn Zusammenstöße eher unvermeidlich sind.
    Was mich selbst betrifft, wäre es eher situationsabhängig, ob ich nun aufstehe oder nicht. Zum einen kommt es auf den Ton an – Respekt vor dem Alter hin oder her, ich kann auch von 80-Jährigen Respekt gegenüber ihren Mitmenschen verlangen -, zum anderen auf meinen Tag, wie es mir geht, wie meine Gepäcksituation aussieht. Wahrscheinlich hätte ich mich für die Kind-auf-Schoß-Variante entschieden.
    Interessanter finde ich allerdings, dass in der ganzen Bahn sich viele entrüsteten, aber dennoch nur einer sich auf seine Kinderstube besonnen und seinen Platz angeboten hat. (Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der Rest der Insassen nicht nur aus unrüstigen Rentnern bestand.)

  26. Viel schlimmer ist doch, dass Herta nicht nur dicklich ist, sondern noch dazu heißt wie eine Fleischwurst. Also das ist doch zuviel des Guten.

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