Ende Oktober. Seit vier Wochen esse ich Lebkuchen.
Kollegen planen die Weihnachtsfeier. Mutter fragt erstmalig nach dem Wunschzettel. Die Handballhühner fordern einen gemeinsamen Weihnachtsmarktbesuch.
Weihnachtsmarkt, der größte Dezember-Horror. Sie kennen das?
Es ist minus 5 Grad. Ein schneidender Wind pfeift durch die Budengassen. Von der Frittenbude zieht eine ranzige Dampfwolke heran. Deine Füße sind Eis. Deine Hände sind Eis. Lautsprecher pressen Weihnachtsschlager hervor. Der Tannenbaum – Deutschlands größter (das sagen sie alle) und per Schwerlast hergeschafft (aus der Partnerstadt aus Nordkarelien) – schlottert mit den Zweigen.
Vor der Glühweinbude stehst du zehn Minuten an. Jonglierst dann an jeder Hand drei Becher zur Gruppe. Heißes Zeug läuft über deine klammen Finger. Nach der ersten Tasse ist dein Mund ein klebriger Pelz. Du willst Wasser. Gibt’s aber nicht.
Stattdessen eine neue Runde Glühwein. Deine Zunge verdoppelt ihre Größe. Die Frittenbude dreht ihre Lautsprecher auf. Die Glühweinbude hält dagegen. Du würdest dich gerne unterhalten. Verstehst deinen Gegenüber aber nicht: Die interferierenden Weihnachtsschlager verhindern jegliche Wahrnehmung. Die Wollmütze tut ihr Übriges. Macht nichts: noch ein Glühwein.
Der Erste setzt sich einen Haarreif mit Elchgeweih auf. Der Zweite eine blinkende Nikolausmütze. Der Dritte holt eine vierte Runde Glühwein. Jemand hat die CD mit den Weihnachtsschlagern von Neuem gestartet. Deine Füße sind nun tot. Du fragst dich, wie lange es dauert, zu Zuckerrohr zu erstarren.
Du musst mal pinkeln. Gehst zum Klowagen. Pellst dich unter Fäkaldämpfen aus deiner Skiunterwäsche. Dein Unterleib ist so kalt, dass der warme Urin beim Austreten schmerzt. Am Waschbecken dann: keine Seife. Deine Hände sind ein Klebeklumpen.
Als du wieder draußen bist, setzt leichter Regen ein. Kleine Eisstücke prickeln in deinem Gesicht. Der Gruppe gelüstet es jetzt nach Herzhaftem, am besten Prager Schinken. Nur zehn Leute vor uns. Dafür Olaf Henning statt „Last Christmas“. Die Gruppe überbrückt die Zeit, indem sie das Lasso rausholt. Die Stimmung erreicht den Höhepunkt.
Nach dem Prager Schinken erste Ausfälle. Das Elchgeweih muss kotzen. Du bist betroffen und hoffst auf ein baldiges Ende der Geselligkeit. Das Elchgeweih geht nach Hause. Aber der Rest will noch in die Kneipe für ein paar Sahnecocktails.
Du verabschiedest dich. Die plötzliche Wärme würde dich umhauen. Deine Wangen würden glühen. Deine Augenlider wären schwer wie Gullideckel. Du schaffst es grad noch heim. Dort schläfst du, rotwangig und fußkalt, auf dem Sofa ein.
Das hättest du auch gleich haben können. Ohne Weihnachtsmarkt.
Aber es muss ja sein.
Kommentare
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„Last Christmas.“ … es sitzt nun fest, und es ist gerademal Oktember. Da kann man jetzt mit AC/DC oder Plastic Bertrand durchspülen, wie man will. Es wird nichts nützen. – Vielen Dank, Sie … Sie … !!!
P.S.: Man verreist am besten Anfang Dezember in ein Land ohne dieses alljährliche Delirium, und kommt erst im Januar zurück.
Leider, leider geht das beruflich nicht, sonst wäre ich im Dezember drei Wochen weg. Ein Bekannter macht das seit Jahren so: Vom 1. bis zum 21. Dezember abhauen und dann, wenn alle weg sind, wieder einsteigen. Er sagt, er habe immer fünf entspannte Wochen.
Da kann ich wärmstens die Philippinen empfehlen (Achtung, Ironie).
Da sind sämtliche Malls nun schon seit Anfang September mit (Plastik)Christbäumen und fetten Nikoläusen dekoriert. Hab dort auch das erste mal die Yello-Version von Jingle Bells gehört %-/
Nene, dagegen ist Weihnachten in Deutschland Pipifax…
Ich war mal zu Ostern auf den Malediven. Das war lustich. Die Einwohner sind Moslems. Die ham aber aus Palmenblättern sehr hypsche Osterkörbchen geflochten und jedem an den Tisch gestellt, mit gelbem Plüschküken drin und Milka-Hase, wie der europäische Generalgouverneur der Insel (Dipl.-Kaufm.) stilgerecht angeordnet hatte.
Das mit dem Schokohasen finde ich schon in Ordnung. Küken und Körbchen muss gar nicht mal sein.
Alle Jahre wieder…!? Nee … DAS muss nin wirklich nicht sein.
Du Arme!
Ich wohne im Sauerland, da hat es GsD während der Adventszeit immer regnerische 11°C, PLUS natürlich, weswegen Weihnachtsfeiern hier NIE unter freiem Himmel stattfinden.
Meinen Glückwunsch, das ist ja ein Traum. Gar keine Weihnachtsfeiern wäre aus meiner Sicht die optimalste Lösung.
Ich werde nie begreifen, warum so viele das Bedürfnis haben, Weihnachtsmärkte bis zur Glühwein-Kotzgrenze zu frequentieren. Ich halte es da gerne mit einer (in Zahlen: 1) gepflegten Feuerzangenbowle vom Stand in der Nähe des Zwiebelkuchens, dazu ein Stück desselben und fertig.
Mehr als 1 Besuch pro Jahr ist ohnehin mental nicht drin. Die Dauerberieselung mit seltsamen X-mas-Klassikern (oder solchen, die sich dafür halten) nebst Nippeskäufern mit Wühltisch-Kampfambitionen gehen irgendwie gar nicht.
Frau Nessy, seit 4 Wochen Lebkuchen? Respekt. Ich hatte immerhin vor etwa 3 Wochen den ersten Spekulatius. ;)
Man muss Opfer bringen. Ich sattle aber demnächst auf Baumkuchen um. Danach auf Dominosteine. Das ist ein rotierendes System.
Wissen Sie, was noch schlimmer ist, als sich auf dem Weihnachtsmarkt mit Glühwein besaufen? 2009 war da mein absolutes Horrorjahr… unglaubliche -20°, die bucklige Verwandtschaft ist über mein Heim hergefallen und hat drei riesige Töpfe Grünkohl mit Mettwurst („bei dir schmeckt das immer so lecker!“) leer GEFRESSEN und wollte anschließend unbedingt noch einen Glühwein trinken gehen! Also alle dick eingemummelt, an die Bahn-Haltestelle gestellt, verdammte 30 Minuten auf die Bahn gewartet, war ja zu kalt zum Fahren…
Ich hab meine Füße längst nicht mehr gespürt, als wir endlich ankamen. Und dann konnte ich mich wegen parasitären Befalls im Uterus noch nicht mal warm trinken, sondern musste rotes Zuckerwasser aka Kinderpunsch trinken.
Dieses Jahr leg ich mich einfach aufs Sofa und sitze Weihnachten aus. Jawoll!
Dieses Jahr haben Sie – ertragreiches Brüten vorausgesetzt – auch eine gute Ausrede. Degradieren Sie das Kleine kurzerhand zum Schreikind („Entwicklungsschub!“) mit Brechdurchfall („In diesem Alter sind sie so wahnsinnig sensibel!“), geben Sie sich aufopferungsvoll („Aber wir können’s mal im Tragetuch probieren.“) – die Leute werden dankend ablehnen („Nee du, das ist ja auch eine Belastung für dich … wenn der immer so schreit … schon okay“).
Alle Jahre wieder…..
aber sicher, immer wieder gerne…
ein stressiger Bummel über den Weihnachtsmarkt gehört dazu, wie die Kerzen an den Baum…
besonders hier in Köln am Dom, dort gibts den Stadl mit den feschen Buam in der Krachledernen, dort bekommst du nicht nur was Leckeres für den Magen und was Hochprozentiges für die Verdauung, nein dort bekommt frau auch was für Auge…du weißt ja, liebe Nessy, das Auge ißt mit :-)
Lieben Gruß Sweetkoffie
Fesche Buan in Krachledernen – warum gibt’s bei mir nur feiste Frittenfräuleins in fettigen Schürzen?
Klingt ein klein wenig nach Bukowski. Blos den Sex hast Du vergessen…
Mit dem Rücken gegen eine Bretterbude lehnend? Bei -5 Grad? Nee. Echt jetzt nicht.
Mit genügend Glühwein, sollte zumindest dem Kopfkino keine Grenze mehr gesetzt sein… ;-)
Ich kenne dieses Weihnachtsmarkt – Getue überhaupt nicht.
Ich denke jeder der im EH arbeitet hat in dieser Zeit was besseres mit seiner übriggebliebenen Freizeit zu tun.
Ich freue mich ja immer auf das Weihnachtsgeschäft, Leuten bei der richtigen Geschenkauswahl zu helfen macht halt Spaß.
Das Schöne ist ja, dass der ganze Zinnober ratzfatz wieder vorbei ist
Sie haben also keine Lust, drei Stunden auf dem Weihnachtsmarkt zu stehen, nachdem Sie neun Stunden im Laden standen? Dann ist es vielleicht doch gut, dass es die Hühner gibt, die die Gastronomie auf dem Markt am Laufen halten.
Jap !
Es muß ja jemand hingehen, damit es sich lohnt.(für die Budenbesitzer)
Man stelle sich nur vor, alle die keine Lust haben gehen nicht hin, dann würde es garkeine Weihnachtsmärkte mit Freß- und Saufbuden mehr geben.
Wie schrecklich !!
Demnächst hören auch noch alle Leute auf im August Spekulatius und Schokoweihnachtsmänner zu kaufen !
Dann gäbe es die erst in der Weihnachtszeit!
Neee ,datt jeht ja mal gaarnich !
Das wär ja genauso schlimm wie ne einstweilige Verfügung, die jedem Sender untesagt „Last Christmas“ zu spielen.
– Vorsicht –
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Hört sich für mich an wie ein perfekter abend auf einem der wunderbaren Weihnachtsmärkte in meiner Umgebung ;).
Im Ernst, ich mag Weihnachtsmärkte. Mit Weihnachten an sich ist das was anderes ;).
Weihnachtsmarkt an sich ist okay. Aber nicht im Rudel. Und ohne Glühwein.
> Weihnachtsmarkt an sich ist okay. Aber nicht im Rudel. Und ohne Glühwein. <
Genau!!
Weihnachtsmärkte sind spitze, am liebsten jedes WE ein anderer, denn ab und an ist ja doch mal eine ganz andere Bude dabei ;-)
Aber dieses Schreckensszenario, damit können mir alle gestohlen bleiben! Ich verstehe sowieso nicht, wie man mehr als 2 Glühwein trinken kann, da meldet sich doch sofort die Galle…
Mindestens ein neues Deko-Engelchen findet man außerdem immer.
Auf dem Weihnachtsmarkt meines früheren Wohnorts gab es einen Glühweinstand, der sich von allen anderen abhob, dieser wurde nämlich von einen Winzer aus dem Badischen betrieben, der dort Glühwein (roten und weißen) aus richtig gutem Wein verkaufte, statt der ekligen, zuckrigen Industrie-Kanisterware, die alle anderen ausschenken. Dieser Glühwein war nicht nur oberlecker, sondern quasi nebenwirkungsfrei, also kein Sodbrennen, kein Brummschädel, keine Kotzeritits. (Ok, bei Übertreibung der Angelegenheit natürlich schon.) Hach, diesem Stand trauere ich sehr hinterher und kein anderer Weihnachtsmarkt kann vor mir bestehen, weil es nirgendwo diesen einen Liebslingsglühweinstand gibt… *schnief*
Also, Weihnachtsmarkt von mir aus gerne, wenn der Glühwein stimmt und es nicht zu warm ist. (bei über 0 Grad schmeckt das Zeug einfach nicht!) Allerdings so in größeren Gruppen, uuuh, nee! Überhaupt, Weihnachtsfeiern…so ein sehr spezielles Thema… Kann mich bisher an keine wirklich tolle erinnern.
„Zimtapfel“ ist auch eine appetitliche Idee …
HEy, Zimtapfel. *wink*
Du spricht aber nicht zufällig gerade von Herrn K*th vom Weihnachtsmakrt in K.?
DAS ist der einzige Glühwein, den ICH trinken mag. Und der ist von einem Winzer und eben NICHT klebrig.
Vor vielen, vielen Jahren hab ich da übrigens selbst mal verkauft. ;-)
Nee, der Weihnachtsmarkt war in G. und an den Namen des Winzers erinnere ich mich nicht. Aber des Standort seines Standes, den würde ich noch heute mit geschlossenen Augen finden. :D
Nachdem uns die Fahrerei in die vermeintlich hessische Hauptstadt immer zu umständlich und teuer wurde, machen wir es seit Jahren so:
Ein Einkocher mit heißem Apfelwein und diverse Flaschen Calvados werden auf der Terrasse des Veranstalters postiert. Daneben finden Grill, Fritteuse und kleine Häppchen Platz. Gebrochen wird aus Prinzip nicht und wenn, dann nur zu Hause. Der Heizpilz sorgt für wohlige Wärme, die Überdachung für ein Trockenbleiben sämtlicher Beteiligten. Die sanitären Anlagen sind vorbildlich gepflegt, stets vollständig ausgerüstet und Schuhe stehen, bei zu kalten Füßen, zum Wechseln auf der Heizung. „Last Christmas“ ist von sämtlichen Musiklisten verbannt und selbst singt es sich in beschaulicher Runde etwas später ohnehin am schönsten.
Nach jahrelanger Erprobung ist das vorgehen mittlerweile nahe des Optimums. Ist zwar ein wenig wie Festival im Luxus-Wohnmobil, aber man ist schließlich keine 20 mehr.
Damals beim Erster-Schnee-Grillen und beim Nikolausgrillen und beim Neujahrsgrillen im Studentenwohnheims (es gibt immer einen Anlass zum Grillen), war es ähnlich, nur mit weniger Komfort, dafür mit kalten Füßen.
Weihnachtsmärkte…. da gehe ich eigentlich nur wegen dem Crêpe hin.
Juliane: seit meinem Wegzug muss die Klimaerwärmung im Sauerland angekommen sein. Als ich dort lebte, wars da noch lausig kalt.
Hier in der deutschen Toskana hingegen kann man oft noch in Fleecejacke auf den Weihnachtsmarkt gehen.
Frau Nessy, vielen Dank für die Tips mit den anstrengenden Tragetuch-Kotz-Schreibabys :D
Ich glaube nur, mir nimmt das niemand mehr ab, mein Kind wird ja ausschließlich getragen (ein Kinderwagen ist auf einem Weihnachtsmarkt auch mehr Hindernis als Vorteil)
Crepe und Waffeln sind in der Tat ein guter Grund, nach der Arbeit einmal drüberzuschlendern.
In Bonn gibt es zwei Abteilungen beim Weihnachtsmarkt, die Radaumeile für Elche und Freunde und den historischen Markt.Den mag ich sehr, er ist viel entspannter und man findet tatsächlich Geschenke für die bucklige Verwandtschaft.
Ach, ja , ich habe letzte Woche Christbaumkugeln gekauft, mit Pünktchen.
Das Spiel kann beginnen.
Was die Geschenke angeht, wird es Zeit, dass ich mir Kinder anschaffe. Dann kann ich mit denen in eines dieser kleinstädtischen Fotostudios gehen, sie vor ein lila Rollo setzen, in einem Weidenkörbchen fotografieren lassen und die Fotos an alle verschenken. Zu putzig.
ich hab mir letztes jahr auf dem weihnachtsmarkt an so einer blöden glühweintasse den noro-virus geholt. dieses jahr kommt meine rache :lol:
Uuuh.
Uu-huuuuu.
Nicht schön. Gar nicht.
Ich habe hier in Québec 16 weihnachtsmarktfreie Jahre verbracht. Aber seit drei Jahren organisiert die deutsche Gemeinschaft (der ich tunlich nicht angehöre) einen, der jedes Jahr immer grösser wird. Die Québecker finden es wundervoll und ganz ehrlich: so mit dem vielen Schnee sieht es hübsch aus. Aber der Geruch von Glühwein, Bretzeln und Stollen vermischt mit dem Geruch von nasser Wolle und Pommes, das ist nicht so mein Ding. Und die Beschallung deutscher Weihnachtslieder von irgendwelchen obskuren Dorfchören gesungen, schrecklich. Ich husche jedes Jahr in einer Stunde (höchstens!!!) mit den Kindern rüber, jeder darf EINE Sache essen oder trinken und das war’s dann bis zum nächsten Mal.
Wenn ich weit fort wohnte, könnte ich mir vorstellen, Gefallen an saisonaler Deutschtümelei zu finden. So sehr ich ja am Weihnachtsmarkt herumnöle – in der Fremde würde ich mich vielleicht doch drüber freuen. Sogar mit Glühwein.
Nee auch weit fort ist das nichts. Was mir aus D-land am meisten fehlt sind Freunde und Familie. Das ist mit Glühwein nicht auszugleichen :D Und klebrig-süssen Glühwein fand ich schon immer schrecklich. Und Stollen und Bretzeln kann ich nach fast 20 Jahren im Exil selber machen.
Ich bekenne: ich finde Weihnachten und die Zeit davor immer noch schön. Auch die Schnulze ‚Last Christmas gehört einfach dazu. Alk trink ich keinen, bin also diesbezüglich vor kotzen gefeit. Geschenke? Jaaaaaaaa! Her mit dem Zaster, den Engelbüchern, den Pralinen und dem Festessen! Und zu guter Letzt: die heilige Messe (wenn man sich nach dem Völlern noch in die Kirche schleppen kann…)!
[…] Weihnachtsmarkt ist übrigens für die Füße. Wenn ich die Wahl habe zwischen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt und Bier im Stadion, nehme ich auf jeden Fall Bier im Stadion. Ich glaube, ich sagte das schonmal. […]